Forschung & Informationen

Konzept & Synergien

Agri-PV ist mehr als die Verknüpfung von Landwirtschaft und Solarenergie. Auf dieser Seite finden Sie das zugrundeliegende Konzept und die breiten technischen Anwendungsmöglichkeiten. Zudem lernen Sie mehr über die Synergien, welche durch die Kombination von Landwirtschaft und Photovoltaik entstehen. Erfahren Sie, wie diese Integration zu nachhaltigeren Produktionsweisen führen kann.

Von der Idee zur Umsetzung

Die Idee, landwirtschaftliche Flächen sowohl für die landwirtschaftliche Produktion als auch für die Stromerzeugung durch Photovoltaik zu nutzen, gibt es schon seit den Achtzigern.

1981 wurde das Konzept von Prof. Dr. Adolf Goetzberger, Gründer des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE, und Dr. Armin Zastrow vorgestellt.
Sie erkannten die Vorteile einer doppelten Landnutzung und untersuchten, wie herkömmliche PV-Anlagen angepasst werden können, um parallel zur Solarstromerzeugung ein homogenes Pflanzenwachstum zu ermöglichen. Eine erste Skizze ist nebenstehend zu sehen.

Das Konzept der Agri-PV wurde nach der Jahrtausendwende erst in Japan, dann in Deutschland und Frankreich durch Pilotanlagen in die Tat umgesetzt und erforscht. Erst in den letzten Jahren ist die Umsetzung der Agri-PV in Schwung gekommen und hat sich bis zu den heute bestehenden großen industriellen Anlagen stark weiterentwickelt.

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Die Technik hinter dem Konzept

Agri-PV-Anlagen erzeugen Strom auf die gleiche Art und Weise wie konventionelle Photovoltaikanlagen auf Dächern oder Freiflächen. Durch die doppelte Flächennutzung stellen sie jedoch zusätzliche Ansprüche an die technischen Komponenten der Module und die Aufständerung der Anlage. Grundsätzlich können offene und geschlossene Systeme unterschieden werden. Offene Agri-PV-Anlagen werden in hoch aufgeständerte (Bewirtschaftung unter Modulen) und bodennahe Systeme (Bewirtschaftung zwischen Modulen) unterteilt. Geschlossene Systeme werden in PV-Gewächshäusern eingesetzt.

Aus landwirtschaftlicher Sicht sind besonders Modultechnologien interessant, welche die für das Pflanzenwachstum notwendigen Lichtspektren passieren lassen. Dazu gehören die organische Photovoltaik, semitransparente PV-Modultechnologien oder die Verwendung von Nachführsystemen, die durch Tracking den Verschattungsgrad aktiv steuern können. Auch durch schmalere PV-Module oder abweichend von einer Süd- zu einer Ost- oder Westausrichtung der PV-Modulposition kann ein gezielteres Lichtmanagement erreicht werden.
Einen weiteren speziellen Modultyp stellen bifaziale PV-Module dar, die es erlauben, Solarstrom auf der Vorder- sowie auf der Rückseite der PV-Module zu erzeugen, wodurch sie höhere Energieerträge als herkömmliche PV-Module erzeugen. Dabei gilt, je höher und weiter die bifazialen Module installiert sind, desto mehr Licht kann die Rückseite erreichen.

Durch die teilweise Überdachung der Fläche verändert sich auch die Verteilung des Niederschlags. Um negative Abtropfkanten der PV-Module auf Boden und Pflanzen zu vermeiden, muss der Niederschlag bei der Anlagenkonstruktion mitgedacht werden. Dafür können unter anderem Maßnahmen wie die Verwendung spezieller PV-Module (schmal, röhrenförmig) oder ein komplett-systemischer Ansatz mit integrierter Regenwassergewinnung eingesetzt werden.

Die Unterkonstruktion muss ebenfalls an die landwirtschaftliche Nutzung angepasst werden. Besonders die Verankerung im Boden der Unterkonstruktion soll keine negativen Auswirkungen auf die Bodenqualität haben. Es kommen beispielsweise Verankerungen wie Schraub- und Rammfundamente in Frage.

Ein weiterer Forschungsbereich des Fraunhofer ISE sind die Technologie- und Nachhaltigkeitsbewertungen sowie Lebenszyklusanalysen von Solarzellen.

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Landwirtschaft

Strategien

Durch eine Kombination aus Landwirtschaft und Energiegewinnung durch Agri-PV-Anlagen kann sich der Druck der Flächenkonkurrenz reduzieren und gleichzeitig grundsätzlich jede Pflanze kultivieren lassen. Allerdings eignen sich in gemäßigten Klimazonen vor allem Kulturen, die nicht besonders lichtempfindlich sind (Schattenpflanzen) besser für den Anbau in einem teilweise verschatteten Agri-PV-System als Pflanzen, die viel Licht für ihr optimales Wachstum benötigen (Sonnenpflanzen).

Durch den Klimawandel stellen wir nicht nur eine globale Erwärmung fest, es nehmen auch weltweit Extremwetterereignisse zu. Agri-PV-Anlagen können teilweise oder sogar vollständig landwirtschaftliche Schutzkonstruktionen vor Witterungseinflüssen wie Hagelnetze oder Folien ersetzen.

Besondere PV-Module

Synergieeffekte

Die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt in Heggelbach zeigen, dass die durch Module entstehende Teilverschattung ein leicht verändertes Mikroklima unter den Modulen bewirkt. Dies kann eine ertragsstabilisierende Wirkung insbesondere in Dürreperioden haben, wie beispielsweise das Forschungsprojekt APV RESOLA gezeigt hat.

Kulturen wie Beeren oder Äpfel sind oft sehr anfällig für äußere Einflüsse, weshalb sie von der Schutzfunktion vor Witterungseinflüssen von Agri-PV-Systemen stark profitieren können. Siehe Forschungsprojekte APV-Obstbau oder Modellregion Agri-Photovoltaik Baden-Württemberg.

Wasserhaushalt

Strategien

Die Landwirtschaft verbraucht schon heute durch Bewässerung rund 70 Prozent des weltweiten Süßwasserbedarfs. Dabei haben sich die zu bewässernden Flächen seit den 1960er-Jahren mehr als verdoppelt.

Angesichts der sich verschärfenden Wasserknappheit in vielen Teilen der Welt, benötigt die Landwirtschaft Lösungen, um Wasser gezielt einzusparen und effizient einzusetzen. Agri-PV bietet die Möglichkeit den Wasserbedarf der Pflanzen durch ein gezieltes Lichtmanagement zu reduzieren und gleichzeitig kostbares Regenwasser aufzufangen und zu speichern.

Um in Agri-PV-Systemen Erosion zu vermeiden, können beim Anlagendesign verschiedene Ansätze des Wassermanagements eingesetzt werden. Schmale PV-Module sowie eine gezielte Abführung des Regenwassers können die Ansammlung größerer Wassermengen unter der Modulkante verhindern.

APV-MaGa

Synergieeffekte

Wenn Pflanzen einer zu starken Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, steigt ihr Wasserverbrauch und ihre Photosyntheseleistung sinkt. Durch die Implementierung der Agri-PV kann die Sonneneinstrahlung so reguliert werden, dass Pflanzen möglichst optimale Lichtbedingungen für ihren Wachstum haben und dadurch weniger Wasser verbrauchen.

Gerade in ariden Regionen kann das Auffangen und Speichern von Regenwasser Grundwasservorräte schonen oder landwirtschaftliche Aktivitäten überhaupt erst ermöglichen. In dem Projekt APV-MaGa wird eine dreifache Landnutzung für ländliche Regionen Westafrikas getestet. Dabei werden neben der doppelten Flächennutzung durch Landwirtschaft und PV die Regenwassergewinnung und -speicherung untersucht.

Gesellschaft

Strategien

Der Ausbau von Erneuerbaren Energien kann regionale Flächennutzungskonkurrenzen verschärfen und zu gesellschaftlichen Kontroversen und Widerstand führen. Um die soziale Akzeptanz von Agri-PV zu stärken, braucht es erfolgreiche Konzepte der Öffentlichkeitsbeteiligung. Damit dies gelingen kann, hat das Fraunhofer ISE einige Faktoren für eine erfolgreiche Einführung von Agri-PV erarbeitet:

  1. Bei Errichtung und Betrieb von Agri-PV-Anlagen ortsansässige Landwirtschaftsbetriebe, Energiegenossenschaften oder regionale Investierenden bevorzugen.
  2. Größe und Verteilung von Anlagen begrenzen und unter Berücksichtigung lokaler Standorteigenschaften und gesellschaftlicher Präferenzen festlegen.
  3. Verpflichtung zur Produktion von Nahrungsmitteln unter Agri-PV-Anlagen eingehen.
  4. Agri-PV-Anlagen an Standorten errichten, an denen durch die Doppelnutzung der Fläche die landwirtschaftlichen Erträge gesteigert und Kulturen geschützt werden.
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Synergieeffekte

Landwirtschaft und Energiegewinnung sind viel diskutierte Themen in der Öffentlichkeit. Agri-PV ermöglicht eine effiziente Landnutzung und kann dadurch Landnutzungskonflikte verringern, zusätzlich die Ernte vor Wetterextremen schützen und darüber hinaus das Einkommen der Betriebe durch den Eigenverbrauch und den Verkauf von Solarstrom diversifizieren.

Einerseits wird durch die Beteiligung mittelständischer Unternehmen am Bau und der Entwicklung von Agri-PV-Anlagen die lokale Wertschöpfung gesteigert, anderseits führt die Einbeziehung der Bevölkerung vor Ort zu einer langfristig höheren gesellschaftlichen Akzeptanz der erneuerbaren Energien.

Um die Akzeptanz für Agri-PV generell zu fördern, ist eine frühzeitige Einbindung verschiedener Interessensgruppen essenziell. So können Präferenzen und Befürchtungen angemessen berücksichtigt und mögliche Konflikte früh identifiziert werden. Auf der Basis dieses Dialogs kann eine gemeinsame Vision für die Energiewende und regionalen Nahrungsmittelproduktion entwickelt werden.

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